Alle Augen sind auf Brasilien gerichtet. Man muss nicht extra erwähnen, dass dort derzeit die Fußball-WM stattfindet. Eine Fußball-WM der anderen Art ging kurz zuvor in Wien über die Bühne. Zum vierten Mal wurde die ursprünglich in Salzburg ins Leben gerufene Integrations-WM auch in Wien ausgetragen. Zum vierten Mal war der USK dabei. Diesmal aber nicht als Mannschaft „Wien“, sondern als „Österreich“. Vorarlberg hatte heuer erstmals nicht gemeldet und so blieb unserem Team die Ehre vorbehalten die rot-weiß-roten Farben hochzuhalten. Kurz zur Erklärung: Bei der Wiener Intergationsfußball-WM treten zahlreiche Mannschaften, bestehend aus in Österreich respektive Wien ansässigen Minderheiten zahlreicher verschiedener Nationen, gegeneinander an.

Nicht selten kommt es hier zu einem Treffen mit alten Bekannten aus der DSG. So hatte uns die Glücksfee dieses Jahr in eine Gruppe mit Ecuador aka Deportivo National gelost. Außerdem bekamen wir es mit dem Iran, Kolumbien und Vietnam zu tun. Zum Abschluss der Gruppenphase winkte die Cordoba-Neuauflage Österreich gegen Deutschland. 2012 konnte der USK alias Wien das bisher beste Ergebnis einfahren und erreichte den großartigen vierten Platz.

Wie jedes Jahr war das Wetter für diesen Event ausgezeichnet, um nicht zu sagen brennheiß. Bei den ersten Matches um neun Uhr ging es ja noch, aber je mehr die Sonne gen Himmel stieg, umso mehr brannte das Kunstgras unter den Sohlen. Dennoch war es ein einmal mehr ein wunderbares Turnier mit hochklassigem Fußball, vielen kulturellen Einflüssen und der Bestätigung einiger nationaler Stereotypen.

So kommt es bereits früh am Morgen zum freundschaftlichen Culture-Clash zwischen den am meisten verwandten und gleichzeitig unterschiedlichsten Nationen dieser Welt, Österreich und Deutschland. Österreichs (der USK-)Kapitän kommt drauf, dass er vergessen hat Tormannhandschuhe einzustecken. Er teilt dies besorgt der Mannschaft mit und man einigt sich im Verbund darauf einmal abzuwarten. Wird sich schon was ergeben. Der Anpfiff des ersten Matches rückt immer näher und Tormann Mario hat noch immer keine Handschuhe. Nun beschließen zwei Österreicher sich bei den anderen Mannschaften zu erkundigen, ob möglicherweise ein Paar entbehrlich ist. Nach kurzer Zeit erspähen die beiden Rot-weiß-roten ein Rudel Germanen. Die deutsche Mannschaft präsentiert sich bereits in großer Zahl bestens vorbereitet und aufgewärmt bereit für das erste Match. Ohne scheiß, die Deutschen haben mindestens zwei komplette Blöcke für dieses Turnier zur Verfügung. Zum Vergleich: Österreichs Team tritt mit ausreichenden acht Leuten an, dafür aber garantiert nicht auf jede noch so unrealistische Problemsituation vorbereitet, wie die Tormannhandschuhthematik beweist. Wir sehen unsere Chance gekommen und marschieren selbstbewusst auf die deutsche Formation zu.

„Morgen. Wir hom leider unsere Tormannhandschuh zaus fagessn. Hobts es zufällig a Paar des uns borgen kenntats?“

Der Deutsche Keeper reagiert mit einem triumphierenden Lächeln: „Aber klar. Isch habe en zweites Paar Handschuhe mit. Mit so ener Situation habe isch schon gereschnet.“

Der Dialekt dieses kurzen Dialogs ist zwar etwas überzeichnet, um die kulturelle Divergenz herauszustreichen, jedoch sorgt dieses klischeebeladene Aufleben österreichisch-deutscher Beziehungen schon am frühen Morgen für ein erstes Lächeln im Lager der Österreicher. Vielleicht auch in jenem der Deutschen.

Kurze Zeit später wurde endlich Fußball gespielt. Mit Tormannhandschuhen.

 

Österreich – Ecuador 1:0

  

Wie wir ja aus der DSG-Liga wissen, operieren die Deportivos am liebsten mit hohen Bällen. Selbst Pässe über zwei Meter hüpfen da wir die Flummis. Nicht sonderlich anders probierte es Ecuador. Da freuen sich natürlich unsere Defensivleute David und Max, die heute hinten dicht halten sollen. Das gelingt mangels Herausforderung tadellos. Vorne haben wir auch genug Chancen für ein 4-6:0, reingehen will die Kugel aber nicht. Erinnerungen an den Auftakt von 2012 (ein unnötiges 1:1 gegen Chile) werden wach. Dann zieht Peter einmal ab, der Tormann wehrt ab und Alex steht mit seiner Birne genau da, wo er zu stehen hat. Diese Führung lässt sich Österreich nicht mehr nehmen und feiert einen ungefährdeten und viel zu niedrigen Sieg über Ecuador. Hoffentlich geht es am Ende der Gruppenphase nicht plötzlich um die Tordifferenz. Nur Platz eins und zwei reichen für den Aufstieg ins Viertelfinale.

 

Österreich – Iran 0:3

  

In diesem Aufeinandertreffen sehen Beobachter einen sehr aggressiven Iran und eine österreichische Mannschaft die quasi mit 0:1 in Rückstand gerät, da der zweite Pass nach dem Anstoß schon ein tödlicher Fehlpass ist. Kurz darauf noch ein abgefälschter Schuss, der das Spiel im Prinzip vorentscheidet. Ansonsten spielen wir auch richtig schlecht und der Iran wirkt dadurch ziemlich super. Wie das mit besserer Gegenwehr aussieht, wird später beantwortet.  In diesem Match schießen die Iraner noch das 0:3 und Österreich beginnt leicht an sich zu zweifeln. Das nächste Match gegen Kolumbien hat nun schon Finalcharakter.

 

Österreich – Kolumbien 2:1

  

Konzentration wieder hochgefahren und los geht’s. Österreich braucht einen Sieg. Kolumbien zur völligen Sicherheit eher auch, aber eine Remis würde es wohl auch tun, da die Südamerikaner noch keine hohe Niederlage gegen den Iran zu verzeichnen haben, die die Bilanz versaut. Es passiert eigentlich lange nix. Die Kolumbianer spielen etwas flinker, dafür stehen wir hinten besser. Chancen gibt’s auf beiden Seiten nur wenige halberte. Beide Mannschaften warten auf den Fehler der jeweils anderen. Den machen schließlich die Kolumbianer. Alex erobert den Ball und zieht zum 1:0 ab. Zu diesem Zeitpunkt ist schon viel Zeit verstrichen. Es gilt, den knappen Vorsprung über die noch knappere Zeit zu bringen. Das gelingt uns aber nicht. Kolumbien kommt einmal durch und gleicht eine Minute vor Schluss aus. Damit sind wir mit einem Bein bereits ausgeschieden. Die Moral ist bei den Rot-weiß-roten heute jedoch besonders vorhanden. Wenige Sekunden zu spielen, Balleroberung David, Peter übernimmt, Pass auf Alex und dieser ist zu diesem Zeitpunkt scheinbar der Einzige, der für uns Tore erzielen kann. Dafür kann ers richtig und erlöst uns wenige Sekunden vor dem Ende. Der Sieg ist in der Tasche. Diesmal wirklich.

 

Österreich – Vietnam 2:0

  

Hand aufs Herz. Richtig attraktiven Fußball spielte unser österreichisches Team eher selten bei dieser WM. Das hat bei anderen Kleinfeldturnieren schon wesentlich besser ausgesehen. Vor allem die kämpferische Komponente und das geschickte Defensivverhalten stehen im Vordergrund. Gegen manche Gegner müsste man aber auch ein Bisschen mehr glänzen um überzeugende Siege einfahren zu können und dem Gegner die Illusion zu rauben, dass sie eine Chance hätten. Zwei solche Gegner gilt es nun zu schlagen, um den Aufstieg zu fixieren. Vietnam hat technisch gute Kicker, aber von Anfang an ist klar, dass dieser Gegner stärkemäßig unter uns anzusiedeln ist. So dominiert Österreich das Spiel und geht nach einiger Zeit mit 1:0 (durch Peter, einmal nicht Alex) und kurz später mit 2:0 (durch Milan, wieder nicht Alex, der hat sich diesmal eine Schaffenspause gegönnt) in Führung. Danach wird das ganze ein Bissl zu schleißig und Vietnam hat Riesentorchancen. Mario darf heute dafür zum ersten Mal glänzen und entschärft alle Vietnam-Möglichkeiten, teilweise sensationell. Somit steht es am Ende verdient, aber eben etwas glanzlos 2:0. Nun steht nur noch Cordoba-Neu zwischen uns und dem Viertefinale.

 

Österreich – Deutschland 2:1

 

Ein Hauch von 1978 im Sportcenter Donaucity. Die Vorzeichen sind diesmal aber anders als damals in Argentinien. Diesmal ist Deutschland schon fix draußen und kann Österreich mit einem Sieg mit ins Verderben reißen. Österreich hier also klarer Favorit, Deutschland beginnt jedoch mit der unendlichen Leichtigkeit des Seins, während Österreich die Verkrampfung aus dem Vietnam-Spiel mitnimmt. Daher haben unsere Nachbarn die erste Riesenchance im Spiel, scheitern aber an einem hervorragenden Mario „Koncilia“ Sauschlager. Dann übernimmt Österreich das Kommando und geht schließlich sehr schön und nicht unverdient durch Milan in Führung. Erste „Krankl, Krankl!“-Sprechchöre hallen über das Sportcenter, auch wenn sie nur von unserem Torhüter kommen. Kurz darauf aber viel Pech für unsere rot-weiß-roten Kämpfer. Ein Schuss der Deutschen landet an der Innenstange, springt von dort an Davids Brust und plötzlich steht es 1:1. Nun geht alles wieder von vorne los. Ein Unentschieden würde zwar auch reichen, ist aber stets ein gefährliche Spielstand. Außerdem geht’s freilich ums Prestige. Österreich will zeigen, dass vielleicht die Welt des Profi-Fußballs fest in germanischer Hand ist, jedoch ist unsere schöne Alpenrepublik im Hobbybereich klar der große Bruder. Das ist natürlich leicht zu erklären. In welcher Sportart sollte Österreich denn besser sein, als in einer in der es „ned so richtig, aber schon um a Bissl was“ geht. Jedenfalls steht es nach wie vor Unentschieden und lang ist nicht mehr zu spielen. Dann macht ein Deutscher plötzlich den Berti Vogts und überrascht seinen eigenen Torhüter mit einem sehenswerten Außenrist-Eigentor. 2:1 für Österreich und da nichts mehr passiert, stehen wir als Gruppenzweiter im Viertelfinale. Große Freude auf Seiten der Österreicher. Wien ist Cordoba. Verschwörungstheoretiker munkeln nach dem Spiel, der deutsche Eigentorschütze ist eigentlich der einzige österreichische Legionär im Trikot der Gegner. In diesem Falle bedanken wir uns natürlich ganz herzlich bei unserem Doppelagenten. Trotzdem werden nicht mehr viele Gedanken an das Zustandekommen dieses Sieges verschwendet. Die Konzentration gilt nun dem Viertelfinalgegner Spanien.

Abschlusstabelle Vorrunde:

 

 

 

 

 

 

 

Viertelfinale: Österreich – Spanien 0:0; 5:4 n.E.

  

Die Spanier konnten in Ihrer Gruppe, wie Österreich in der anderen, zwölf Punkte ergattern. Das reichte für die Iberer zum Gruppensieg, für uns nur zu Platz zwei. Das Match selbst hatte so gut wie überhaupt keine Höhepunkte. Österreich steht von Anfang an hinten sehr sicher und lässt keine Torchancen gegen die feldüberlegenen Spanier zu. Auf der anderen Seite finden wir aber auch keine Möglichkeiten vor. So steht es nach 15 Minuten korrekter Weise 0:0. Der Turniermodus sieht ein sofortiges Siebenmeterschießen vor. Drei Schützen treten für jede Mannschaft an. Wenn bis dahin nichts entschieden ist, dann geht’s mit den restlichen Spielern weiter bis eh scho wissen. Österreich muss vorlegen. Milan tritt an und scheitert gleich an dem Spanischen Keeper. Gut geschossen, aber leider noch besser pariert. Der Spanier verwertet sicher. Peter ebenso. Der Spanier auch wieder. Filipe trifft auch. Nun kann es der Spanier entscheiden. Österreich so gut wie draußen. Sensationeller Weise jagt der Gegner die Kugel drüber und wird dürfen auf einmal wieder hoffen. In der Folge treffen Max, ein weiterer Spanier, Alex, noch ein Spanier und David sicher. Schließlich haben die Favoriten aus dem Süden die schwächeren Nerven. Österreich steht im Halbfinale. Die beste Platzierung aus dem Jahr 2012 ist eingestellt. Einmal mehr gehören wir zu den besten vier Teams. Doch heuer wollen wir mehr. Auch wenn die Knochen immer schwerer werden.

 

Halbfinale: Österreich – Afghanistan 0:3

  

Die Knochen sind schwer, die Beine müde. Und dann kommt so eine Truppe wie Afghanistan daher, die uns förmlich um die Ohren rennt. Österreich kann eine Weile die Null halten. Durch einen satten Schuss ins Kreuzeck kommen unsere Jungs allerdings auf die Verliererstraße. Gegen die wieselflinken Afghanen sind die rot-weiß-roten Mannen immer einen Schritt zu spät. Ein Eigentor von David durch einen Rettungsversuch entscheidet das Match endgültig. Das 0:3 lässt unsere Mannschaft den Beschluss fassen, diese Partie verloren zu geben und endgültig Kräfte für das kleine Finale zu sparen. Dort trifft Österreich auf alte Bekannte.

 

Spiel um Platz 3: Österreich – Iran 1:1; 7:6 n.E.

 

Das schwächste Spiel an diesem Tag haben die österreichischen Kicker noch bestens in Erinnerung. Nun haben wir die Möglichkeit zur Revanche und zu beweisen, dass wir es gegen die Iraner doch viel besser können. Außerdem will die Mannschaft endlich dieses verdammte Loser-Image ablegen, das das Team scheinbar serienweise zu vierten Plätzen und damit Blech auf Ewigkeit verdammt. Heute soll dieser Fluch endlich besiegt werden. Heute soll der Traum vom Stockerlplatz Realität werden. Dafür müssen die allerallerletzten Kräfte mobilisert werden. Auch bei den Iranern hat das lange Turnier und die heißen Temperaturen Tribut gefordert. Der Gegner ist nicht mehr so aggressiv wie noch in der Gruppenphase und eröffnet immer wieder Räume zum Kombinieren. Der erste Pass nach dem Ankick sitzt diesmal auch und siehe da, Österreich findet nach zwei spielerisch müden Vorstellungen in der K.O.-Phase wieder eine Linie. Die Konzentration bei Ballbesitz ist da und dann auch die 1:0-Führung. David spielt einen weiten Pass auf Alex. Dieser übernimmt traumhaft volley und verwandelt. Diese Führung kann lang gehalten werden. Der Traum vom dritten Platz wird immer realistischer. Kurz vor Schluss folgt doch noch der Stich ins rot-weiß-rote Herz. Ein einziges Mal kommt unser Team nicht mit den iranischen Ballstafetten mit und der Ball zappelt in Marios Netz. Einmal mehr muss Österreich ins Penalty-Killing, um das Glück ein weiteres Mal herauszufordern. Gegen dieses Elfern, oder besser gesagt „Siebenern“ ist jenes zuvor gegen die Spanier ein Kindergeburtstag. Beide Mannschaften beweisen Nerven aus Stahl. Der Ablauf: Milan –Tor 1:0, Iran – Tor 1:1, Peter – Tor 2:1, Iran – Tor 2:2, Filipe – Tor 3:2, Iran – Tor 3:3, Max – Tor 4:3, Iran – Tor 4:4, Alex – Tor 5:4, Iran – Tor 5:5, David tritt an, schießt gut, aber der Torhüter pariert, weiter 5:5. Wieder ist dieses Duell so gut wie verloren. Iran tritt an und vergibt tatsächlich auch. Österreich bleibt im Spiel. Torhüter Mario muss ran und trifft souverän ins Kreuzeck, 6:5. Iran gleicht wieder aus, 6:6. Nun sind alle durch und Einserschütze Milan muss erneut zum Punkt. Wieder behält er die Nerven, 7:6. Dann wieder der Iran. Antritt, Schuss, Lattenpendler. Der Ball springt auf den Boden, vor die Linie, Österreich holt Bronze bei der vierten Integrationsfußball-WM in Wien. Alle stürzen sich auf Mario. Der Jubel will nicht aufhören. Der USK hat als Team Österreich erstmals bei einem Turnier einen Podestplatz geholt. Die Afghanen freuen sich gleich mit. Ein glorreicher Tag in der Vereinsgeschichte des USK Vienna Vibes.

Afghanistan setzt sich in einem hochklassigen Finale gegen die Türkei ebenfalls im Siebenmeterschießen durch. Ehrlicherweise muss man sagen, dass die beiden Finalisten an diesem Tag eine Klasse über allen anderen Mannschaften standen. Deshalb Gratulation an beide Mannschaften, besonders aber an das junge Siegerteam in dem auch Österreich im Halbfinale seinen Meister gefunden hat. Für uns bleiben die Freude über einen sensationellen dritten Platz und der Traum vom Finale, bei einem der zukünftigen Turniere. Vielleicht ja schon nächstes Jahr.

 

Ein Bericht von Max Gfrerer